Donnerstag, 9. September 2010
Und hier stand sie, stand in dem, was sie ihr Leben nannte. Eine perverse Karikatur von Allem, was sie immer sein und haben wollte, zusammengesetzt und herausgestampft aus den losen Fragmenten ihrer Vergangenheit, geformt von der Summe ihrer Taten, jeder Entscheidung, die sie jemals getroffen hatte - oder auch nicht.
Einige ihrer Wünsche und Träume waren Realität geworden, wenn auch manchmal eine verzerrte Version davon, andere wiederum blieben nach wie vor unerfüllt und in unerreichbarer Entfernung, und gewürzt wurde das Ganze von ungestillten Sehnsüchten, die sie noch nicht einmal dann in Worte hätte fassen können, hinge ihr Leben davon ab. Und vielleicht tat es das sogar.
Das war wohl das Geheimnis des Lebens, dachte sie zynisch. Es ist ein Topf voller Scheisse, in dem man ständig nach Perlen sucht, und nur die Kieselsteine, die man hier und da findet, geben einem die Motivation, weiterzusuchen und den Ekel und die Abscheu vor dem widerlichen Geruch zu überwinden.
Sie seufzte tief und ließ eine Handvoll Kieselsteine durch ihre Finger rieseln, während sie dahockte und dem Sonnenuntergang zusah.
Der Sonnenuntergang, genausogut ein Zeichen für ein Ende wie auch die stille Verheißung eines Neuanfanges, das stumme Versprechen "Ich ersteige morgen wieder das Firnament". Andererseits begann für einige das Leben erst nach Sonnenuntergang, weswegen der Untergang für sie erst der Anfang war. Wie sagte Einstein so schön? Alles ist relativ. Nur eine Frage der Sichtweise.
Aber es wollte sich einfach keine richtige Perspektive finden lassen.
Es gab manchmal diese Tage, an denen sie die Frage beschäftigte, warum sie sich das hier eigentlich noch länger antat. Sie konnte die Antwort nicht finden. Aber war das ein Grund, aufzuhören? Warum ging die Sonne jeden Tag auf?
Es war wohl eine dieser Fragen, auf die es keine Antwort gab. Keine, die für sie ausreichend gewesen wäre. Und wenn doch, dann war sie wohl in den Kiselsteinen enthalten.
Gedankenverloren erhob sie sich aus seiner hockenden Position und ging wieder die Strasse entlang. Eine Strasse, von der sie immer noch nicht genau wußte wohin sie führte. Sie wußte nur, daß sie es langsam müde wurde, müde, sich so dahinzuquälen.
Unüberschaubar durch die zahlreichen Windungen lag sie vor ihr, und immer wenn sie endlich um eine Biegung kam und dachte, sie würde gleich das Ende erblicken, sah sie wieder nur bis zur nächsten Biegung. Menschenleer und scheinbar ewig lang lag sie vor ihr, und eigentlich hatte sie keine großen Hoffnungen mehr, von hier noch einmal zu entkommen.
Sie würde wohl auf dieser Strasse zu Grunde gehen.
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